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                                                                                                   Santiago de Chile, Oktober 2003            

Hallo Ihr Lieben!



Nun ist mal wieder eine Zusammenfassung faellig, eine Auswahl des Erlebten. Acht Monate sind seit dem letzten Gruss schon wieder vergangen, dabei ist das ausschlaggebende Zeitmass ja das Individuelle, ein seelisches, im Blick zurueck erscheint uns Zeit erst messbar, erhaelt seinen Wert durch die Dichte des Erlebten.

Endlich verlasse ich Hanoi, fahre heraus aus diesem Gewirr tausender hupender, klingelnder Zweiraeder und verhaeltnismaessig wenigen Autos.
Waere diese Geraeuschkulisse nicht, koennte man fast von beschaulicher Atmosphaere sprechen. Markttag ist in allen Gassen, "fliegende Haendler" bringen auf ihren im Rhythmus ihres Schrittes wiegenden Schultertragen saemtliche Lebensmittel an die unabkoemmlichen Kraemer, die hinter ihren aufgestapelten Waren den Tag abwarten, Kaffeehaeusern reihen sich an Barbierstuben. Mittags und abends oeffnen die Essensstaende, bieten Gekochtes und Gegrilltes an, neben Gemuese und dem Klebereis. Man bestellt sich das Gericht seiner Wahl in kleinen Schalen, auf niedrigen Baenken hockend sitzt man dann zusammen, schluerft und schwatzt und schmatzt. Meist sieht man nur noch in den Doerfern Frauen mit den traditionellen kegelfoermigen Hueten, die Maenner tragen gerne Tropenhelme im Stil ihrer ehemaligen franzoesischen Kolonialherren. Auf den Landstrassen ist der Verkehr ziemlich aggressiv, die Fahrerlaubnis erteilt man sich scheinbar mit dem Kauf des Fahrzeuges.

Als ich in der Ha Long Bucht am Chinesischen Meer ankomme, will ich gleich auf ein Boot, mir diese Wasserwelt aus kleinen Inseln anschauen. Wegen eines anstehenden Feiertages soll heute keins mehr auslaufen, im letzten Augenblick werde ich von einem amerikanischen Ehepaar eingeladen, die sich solch eine Holzbarkasse fuer ein paar Stunden gechartert haben, auf ihrer achttaegigen Rundreise durch Suedostasien. Da sie nur koscher Zubereitetes essen, ueberlassen sie die Koestlichkeiten aus allerlei Krustentier dem Reiseleiter und mir. Halb am Verdauen draengt mich der Zahnarzt aus Long Island, wie ich es bereits erwartet habe zu meiner Meinung ueber den bevorstehenden Irakkrieg, waehrend wir in dieser friedlichen Umgebung an Minidoerfern aus zusammengetaeuten Hausbooten dahingleiten. Nach einigem Debattieren gibt er mir abschliessend zu bedenken, die gesamte Menschheitsgeschichte bestaende ja aus Kriegen, erteilt dem Krieg somit seine Absolution. Mir faellt nichts weiter darauf ein, als dass die Geschichte ja immer nur vom Sieger diktiert wird, somit entbehrt sie der Objektivitaet, ist verfaelscht. Bin enttaeuscht, wie er als Jude der aelteren Generation, so wenig aus der Vergangenheit gelernt hat.

Fuer die naechsten Tage radle ich durch kuenstlich angelegtes Schwemmland, dem zweitgroessten Reisanbaugebiet der Erde, neben dem Norden Thailands. Hier waten die Bauern den ganzen Tag im schlammigen Wasser, setzten Sproesslinge, pfluegen und furchen fast ueberall noch mit ihren gutmuetigen Wasserbueffeln. Daneben lassen die Entenhirten ihr Federvieh auf brachliegenden Ackerflaechen gruendeln. Aus Mangel an geeigneten Zeltmoeglichkeiten und um die verhaeltnismaessig hohen Hotelkosten zu sparen, fahre ich einmal eine Kirche an, von denen die Franzosen viele im Land errichtet haben. Der Priester weist mich trotz offensichtlichen Platzangebotes ab. In der Dunkelheit Schlafplaetze zu finden, ist in urbanen Gegenden immer eine nervenaufreibende Angelegenheit. Endlich bekomme ich doch noch einen grottigen Raum fuer etwa satte zwanzig Euro angeboten. Als ich mein Rad dann dort die Treppe hinaufwuchte, wird der Knabe der Familienpension auch noch frech, und wie oft ist es mir seitdem schon passiert, dass sich Halbwuechsige gerne an Auslaendern probieren, wenn sie sich ihrer ueberlegenen Position sicher sind. Ich fahre den Schnoesel an, der bis dahin sicherlich noch nie einen Europaer vor sich hatte, dass er ordentlich Angst bekommt, schleppe mein sechzig Kilo schweres Gefaehrt wieder runter, bloss raus hier! Im anderen Hotel hatte man mich ja gleich abgewiesen, so fahre ich trotzig wieder zum Priester zurueck, denn einen Schlafplatz habe ich bisher immer bekommen. Schliesslich gibt er mir dann doch noch ein Zimmer, komfortabler, als ich es erwartet habe. Mit ein paar Jungs gehe ich noch auf eine Nudelsuppe hinaus, als wir wiederkommen, erwarten mich sodann drei Uniformierte und einer mit langem Ledermantel verkleidet, dazu noch der Kriecher, dessen Gesicht ich vorher schon sah. Nachdem er der Polizei gesteckt hatte, ein Auslaender wolle hier uebernachten, ist jetzt sein Dienst, die Beamten mit Schnaps und Zigaretten zu versorgen. Jetzt verstehe ich auch den Priester, der mich manchmal verstohlen mit traurigen Augen anblickt. Die gelbzaehnig grinsenden Fragesteller spielen sich nun auf, behaupten, Auslaendern waere es in ihrem Land nicht gestattet, woanders als in Hotels zu uebernachten. Ich kenne dieses Gesetz nicht, halb elf nachts nach einem langen Tag habe ich auch ueberhaupt keine Lust, mich zu erklaeren, aber um den Priester nicht noch mehr in Schwierigkeiten zu bringen, beantworte ich alles mit dem guten Gewissen eines Fernradlers. Endlich darf ich dann doch noch hierbleiben, aber "zu meiner Sicherheit" nimmt man mir den Pass ab, den ich am naechsten Tag punkt acht abholen duerfte. Das ist mir bis dato noch nirgends passiert. Am naechsten Morgen werde ich vom Priester und ein paar Jungen geweckt, sie haben Fruehstueck besorgt und wir essen schweigend, sehen uns aus Mangel an Verstaendigung nur freundlich an, oft bedarf es keiner Worte, wir tauschen die Adressen, verabschieden uns herzlich. Auf der Wache wird dann noch ein langes Protokoll mit Dometscher aufgenommen, anhand unsachlicher Fragen bemerke ich ein persoenliches Interesse. ‚Wenn Du keine Uniform anhaettest, sondern das Landarbeiterkostuem, wurde ich Dir viel lieber antworten', denke ich.

Einmal zelte ich noch, fuehle mich verdaechtig dabei, mache alles im Dunkeln, dass mich bloss niemand in dem Waeldchen beobachtet. Nach einem Speichenbruch werde ich am spaeten Nachmittag in ein Privathaus eingeladen und puenklich um elf klopfen wieder zwei Typen an die Tuer, diesmal behalte ich meinen Pass, fahre lieber mit auf die Wache, nach einer Stunde darf ich dann gehen. Ganz offensichtlich haben die Kader hier Angst ihren Einfluss zu verlieren, erschweren den Leuten das Leben, da spukt es wieder, das Gespenst des Kommunismus. Nun kann der geneigte Leser vielleicht auch erahnen, warum immer noch vietnamesische Fluechtlingsboote in internationalen Gewaessern aufgeholt werden.

In Hue, der alten Kaiserstadt sehe ich dann wieder Touristen, ueberhaupt habe ich den Eindruck, jenseits der Demarkationslinie, die das kommunistische Nordvietnam vom westlich beeinflussten Sueden trennte, lebt es sich etwas unverkrampfter. Von Da Nang aus fahre ich in die Berge, treffe auf weiter Flur zwei amerikanische Kriegsveteranen, die die Oeffnung des Landes nach Westen nutzten, um die Orte an denen sie kaempften und verwundet wurden, noch einmal zu besuchen. Viel bekomme ich nicht zu hoeren aus dieser Zeit, wie es Soldaten, die Krieg erlebten, auszeichnet, sie stehen da, lassen ihre Blicke schweifen und ich verabschiede mich bald darauf. Hier bekomme ich auch langsam einen Eindruck von der "Gruenen Hoelle", Nieselregen hat die Wege aufgeweicht, ich verfahre mich fuer sechzehn Kilometer, spaeter tuckere ich auf einem ueberfuellten Kahn ueber einen Fluss. Aber endlich hat der Verkehr ein Ende. Dieses staendige Hupen, ja Dauerhupen, was geschwindigkeitsabhaengig ist, wirkt zermuerbend auf mich. Nachts in solchen Strassenherbergen ruht man mehr, als dass man schlafen kann, jedesmal schrecke ich wieder auf, wenn ein LKW vorbeidonnert. Wie abgestumpft muss man sein, um an solchen Orten sein Leben zu fristen. Ich erlebe, wie gereizt die Leute dort sind, wie sie sich wegen einer Kleinigkeit in die Haare bekommen, Geschirr zu Bruch geht, bis der Streitsuechtige zusammenbricht und einen Weinkrampf bekommt. Ich denke an Musik, an Bach, Mozart, Beethoven, an Buecher die mich fuetterten, hier finde ich ich nur die Fernsehvitrine als Schrein in jedem Haus.

In der Abenddaemmerung gelange ich zu einem Dorf, dessen Bewohner mich alle umringen. Nun wird mir auch wieder warm ums Herz. Ich bin bei einer Minderheit angelangt, die Leute sind in Tuecher geschlungen, in die schwarzen Haare haben sie sich bunte Flechten eingewebt, die Frauen tragen einiges Metal im Gesicht, rauchen schlanke Pfeifen oder ebenso selbsthergestellte Zigarren, ein unbedarfter Juengling findet sich schoen mit Lippenstift und Nagellack, ist deswegen nicht weniger integriert in diese friedliche Gemeinschaft. Ganz hinten, etwas abseits postiert, betrachtet mich ein wunderschoenes Maedchen, unsere Blicke treffen sich ausserhalb der Zeit. Ueber die Bruecke, auf der anderen Flusseite steht eine Strassenarbeiterbaracke, wo ich einen Schlafplatz bekomme. Alles ist auf einmal wieder einfach, so selbstverstaendlich freundlich. Man teilt das Essen mit mir, danach bereitet jemand noch Kaffee auf die leckere vietnamesische Art. Sobald das DVD-Geraet angeht, schauen alle lieben Augen, denn das halbe Dorf ist den Arbeitern und mir gefolgt, wie gebannt auf den Bildschirm und ich bin fast vergessen.

Am naechsten Tag geht es stetig bergan, es dampft hier vor Feuchtigkeit, nur ein paar Hunde rennen mir hinterher, die Strasse wird immer schlechter. Gegen Abend stake ich schon das zweite Mal bis zum Fussknoechel im Matsch, in zaeher Lehmspeise. Alles ist so verklebt wie noch nie, ich kann keinen Meter mehr pedalieren und fluche herum, als mich ein junger Soldat auf einsamen Posten in seinem Stelzenhaus zur Uebernachtung einlaed. Er spendiert die Suppe, ich den Schnaps, irgendwelche Fliegen haben mir Blutblasen gebissen, die sich spaeter noch entzuenden werden, er zeigt lachend seine Narben dazu. Nach einem halben Tag im Wolkennebel finde ich im naechsten Ort die asphaltierte Strasse wieder und einen pfiffigen Mann, der sein Geld mit einem Hochdruckstrahler verdient.

Spaeter treffe ich einen Franzosen mit vietnamesischer Freundin, die auf seiner "Minsk" das Land bereisen. Sie wurden gerade achtundvierzig Stunden von der Polizei festgehalten, weswegen ich meine Idee verwerfe, diesen kleinen Grenzuebergang in der Naehe anzufahren, lieber will ich dann ueber den fuer Touristen geoeffneten, der weit im Sueden liegt. Da ich nur noch drei Tage Visumsfrist habe, fahre ich mit dem Bus. Das wird mir nicht leicht gemacht, die Damen hinter den Schaltern dort am Bahnhof wollen mir partout keine Karte fuer den Einheitspreis von etwa dreizehn Euro verkaufen, fuer heute gaebe es keine mehr, fuer morgen waere auch schon ausverkauft und so weiter. Und wieder fluche ich laut durch die ganze Halle, dass es alle wissen sollen. (Man stelle sich vor, bei uns wuerde den Leuten solcher Herkunftslaender immer ein verteuerter Preis gemacht, nur zum Spass natuerlich, nur um sie zu erschrecken!) Draussen verhandle ich dann mit den Buszuhaeltern und fuer den dreifachen Preis hocke ich dann wie im Viehwaggon zusammengepfercht, zehn lange Stunden, auf dem Blechkleid ueber der Hinterachse, denn die "teuren" Plaetze sind alle schon belegt. Vor mir einen Typen zwischen den Beinen, der durch die ganze Schaukelei in dieser stickigen Luft mehrere Plastiktueten vollspukt, hinter mir andere Kniepaare im Ruecken,so daemmert man dahin.

Saigon oder Ho-Chi-Minh-Stadt, nach dem Fuehrer der nordvietnamesischen Befreiungsarmee umbenannt, hat wieder Flair mit kleinen Parks, den vielen abendlichen Strassenstaenden. In den Schluchten der Nebengassen herrscht pralles Leben, Kraemerladen und Suppenbuden an jeder Ecke, Maenner sitzen ohne Hemd herum, trinken Bier, spielen Karten, hier haben auch die Verrueckten, ihren Platz, Ratten huschen an den Hauswaenden entlang, fuer viele hat die Tageszeit hier keine Bedeutung. Ich besuche noch ein Kriegsmuseum, irgendsowas steht auf dem Pflichtprogramm eines jeden Touristen, diese ganze Thematik bringt dem Staat Unmengen von Devisen ein, auf Fotos werden oft verstuemmelte Leichen gezeigt, es ist absurd, wie man seine juengste Vergangenheit hier vermarktet.

Drueben im Koenigreich Kambodscha lachen einen die Leute gleich wieder an, sind offener, als die mehr reservierte Mentalitaet der Vietnamesen. Haupttransportmittel ist auch hier das Moped. Oft ziehen diese Gefaehrte lange Anhaenger auf denen bis zu zehn Leuten Platz finden oder man sieht Fahrraeder, die mittels Gestellen kaefigfoermig zusammengebaut sind, dass es mindestens zwei Leute benoetigt, diese beeindruckenden Fuhren zu bewegen.

Kurz hinter der Hauptstadt Phnom Penh faehrt auf der anderen Strassenseite ein Liegeradfahrer vorbei, der ganz vertraeumt in die Luft schaut. Ich ueberlege es mir doch noch anders und habe ihn bald eingeholt. Joachim heisst er, ist auch auf grosser Tour, im Januar 2001 von zu Hause in Oesterreich angetreten. Seine Berichte kann man unter www.geocities.com/recumbenttour nachlesen. Da er aus entgegengesetzter Richtung kommt, trennen sich unsere Wege erst einmal. Mir kommen auf dieser Verbindungslinie Bangkok-Saigon einige Tourenradler auf ihrem mehrwoechigen Urlaub entgegen. Mancher ist im Geist noch so in seiner westlichen Heimat, dass es geradezu schwierig ist, ihm zu einem kurzen Stop zu bewegen.

Ein anderer Reisender bringt mich darauf, dass ich der Beschreibung nach oft Hundesuppe auf dem Land vorgesetzt bekam. Ich hab mich ja immer schon ueber das dunkle Fleisch gewundert, fuer die dicke Hautschicht konnte ich mich gleich gar nicht begeistern. Trotzdem halte ich es damit, alles zu essen , was man vor Ort auftafelt, das erweckt ja auch Sympathien, vertreibt Beruehrungsaengste. Um den armen Hund in einen besserem, geschmackvollerem Licht erscheinen zu lassen, muss ich erklaeren, dass die Speisehunde ausschliesslich hinter Haus-und Hoftoren gehalten werden, von wo sie einen, die Schnauze durchs Gitter steckend, traurig ansehen. So kommen sie erst gar nicht in Versuchung, sich an irgendwelchem Aas oder Lebendfutter von der Strasse zu versuchen. Sie haben auch nur eine kurze Lebensspanne zu erwarten, was mit dem Geschmack zusammenhaengen muss. Ordinaere Strassenkoeter sehe ich im ganzen Land nicht. Der Ort Skon hat des Durchreisenden Interesse, da man dort fritierte Spinnen anbietet. Am naechsten Morgen finde ich dann auch eine Marktfrau mit einem grossen Tablett durch die Staende balancierend, darauf Genannte aufgehaeuft sind. Sie haben von Bein zu Bein die eindrucksvolle Laenge von etwa acht bis zehn Zentmetern, im Augenblick der Erhitzung im heissen Oelbad legen sie sterbend vier Gliedmassen ueber den Kopf, die anderen strecken sie nach unten. Das Gift hat sich dabei neutralisiert, so dass sie nun essbar sind. Der Geschmack ist denkbar unvergleichlich: Spinne schmeckt eben nach Spinne.

Fuer die naechsten Tage wird das Rad wieder heftigst erschuettert, auf zerfurchter Piste eiere ich von einer Seite zur anderen, staendig auf der Suche nach dem besten Untergrund. Die Roten Khmer haben das Land in der Zeit ihrer Schreckensherrschaft grossflaechig vermint. So finde ich die Landbevoelkerung oft in Gruppen herumsitzend, scheinbar traege, aber sie koennen einfach nicht ihre Felder bestellen, Minenschilder warnen immer wieder davor, die Strasse zu verlassen. Oft sieht man deshalb auch Leute mit fehlenden Gliedmassen, die durch den Verlust zur koerperlichen Arbeit unbrauchbar geworden, nun zum Betteln gezwungen sind. In den fuenf schlimmen Jahren des Pol-Pot-Regimes, von 1975 bis 1979, dessen absolutes Ziel es war, den Kommunismus mit allen Mitteln durchzusetzen, wurden die Staedte "geschlossen", das Geld abgeschafft, die gesamte Bevoelkerung hatte auf dem Land zu arbeiten. Man ermordetete in dieser Zeit 1,7 Millionen Menschen, 21 Prozent der Bevoelkerung! Wegen der strikten Haltung der Machthaber wurde das Land von vielen Wirtschaftspartnern boykottiert. Unter diesem Aspekt ist es deshalb nicht verwunderlich, warum man seit damals auf andere Nahrungsresourcen, wie Insekten oder eben Hundefleisch zurueckgriff. Es ehrt dieses Volk, dass sie trotz dieses Voelkermordes so liebeswuerdig geblieben sind.

Hauptattraktion des Landes sind ohne Zweifel die Tempelanlagen von Angkor Wat. Die Khmer - Koenige verewigten sich hier, indem sie zwischen dem Neunten und Dreizehnten Jahrhundert zu Ehren Buddhas und der Hindugottheiten hundert Tempel errichten liessen. Das ganze Areal umfasst eine Flaeche von hundervierzig Quadratkilometern, diese komplexe Stadt beherbergte zu ihrer Bluetezeit im zwoelften Jahrhundert etwa eine Millon Menschen. Das Reich der Khmer umfasste damals weite Gebiete des heutigen Thailands bis hin zum Suedchinesischem Meer. >>Mit einiger Ueberwindung klettere ich steile Treppen hinauf. Ta Prohm mutet maerchenhaft an, wie die zerfallenen Tempel dort teilweise von Baumwurzeln ueberwuchert sind. Im Bayon-Tempel laechelt der damalige Herrscher von vierunfuenfzig Stelen nach allen vier Himmelsrichtungen, der guterhaltene Angkor-Tempel gilt als Hauptattraktion. Auf der Lateritpiste zur Grenze werde ich nochmal eingestaubt, ich stuerze, dass ich mich seitdem nicht mehr hinknien kann - vor wem auch.

In Thailand faellt mir erst am zweiten Tag wieder ein, meine Geldkarte zu benutzen, wundere mich, warum mir hier niemand ein paar Dollar eintauscht, solange will man mir das Essen schenken. Als ich in Bangkok auf dem Rueckweg in mein Hotel bin, was das meiste Geld im Stundentakt einnimmt, radelt Joachim auf dem Boulevard wieder an mir vorbei, wieder renne ich ihm hinterher, zwei Tage spaeter verlassen wir die Stadt gemeinsam, fahren erstmal nach Kanchana Buri, weil dort diese "Bruecke ueber den Kwai" steht. Beim Versuch, ein Bier zu kaufen, beisst mich aber vorher noch einer von fuenf Hunden in ihrer Eigenschaft als Ladenhueter. Die Tochter des Besitzers bringt mich zur ersten Tollwutspritze ins naechste Hospital, zurueck will sie dann nicht mehr, wie besprochen, die restlichen umgerechnet vierundzwanzig Euro fuer die noch ausstehenden vier Impfungen bezahlen, ruft den Vater an. Wir treffen uns auf der Polizeiwache wieder, da der Kraemer um die paar Taler feilschen, mir nur die Haelfte erstatten will, seiner Ansicht nach war ich im Begriff, das Bier zu stehlen und ausserdem seien sie(mit Haus und Laden, zwei Autos, zwei Motorrollern und Futteraufwand fuer fuenf Hunde - eigene Anmerkung) ja arm und ich reich. So verlaeuft das Geplaenkel, raubt die Zeit, waehrend der Wachhabende, die Beine auf dem Tisch, seine Fingernaegel feilt. Irgendwann will ich den Abend hier beenden und sage resignierend sowas wie: "Wenn das Gerechtigkeit hier bedeutet, waere ich von diesem Land enttaeuscht. Als sich der Feiler dann die Uebersetzung in seine Muttersparche anhoert, zueckt er schliesslich den eigenen Geldbeutel und legt die ausstehende Summe auf den Tisch, "damit ich keine schlechte Meinung von Thailand behielte". Das ist doch nett, oder? Man laesst hier naemlich nichts auf den Koenig, den ich in diesem Falle unbewusst beleidigt habe, kommen.) Deswegen bin ich nun nicht beschaemt, freue mich nur, wie schnell die Kraemerseele sich verkruemelt, Gesicht zu wahren, ist hier aeusserst wichtig. Ueberhaupt ist Thailand das Toelenland schlechthin, sie lungern ueberall herum, da der Buddhismus jedes Leben ehrt, wird auch der raeudigste Koeter noch gefuettert, auch wenn es ihm gar nicht mehr schmeckt, das Leben. Als Welpen werden sie noch verhaetschelt, aber man uebergeht die Last der Erziehung, so verhalten sie sich spaeter wie im Rudel und rennen uns hinterher, als ob sie das Kommando hier haetten, auf ihrem "Hundeplanet".("Der Hund, der laengste Freund des Menschen", geht mir eine Zeile durch den Kopf, ‚dass ich nicht lache, die Natur schlaegt zurueck!') Die sonst schrecklich netten Thais sind damit voellig ueberfordert. Steine werfen und Anbruellen ist lange nicht so effektiv, wie Bambusstoecke, die wir und bald zulegen, nun macht's auch wieder Spass mit den Hunden.

Ansonsten kann ich nicht meckern, die Thailaender erhalten neun von zehn Sympathiepunkten und kommen somit in meine Liste der Besten. Der Verkehr ist fuer Joachim's und meine Verhaeltnisse geordnet, keiner hupt hier aus Selbstdarstellung, niemand begafft uns wie sonst immer, man wahrt die Privatsphaere. Wir zelten am Strand, auf Tempelgelaenden, im Dschungel mit phantastischer Geraeuschkulisse. Je weiter wir nach Sueden kommen, desto einfacher leben auch die Menschen in den kleinen Ansiedlungen entlang der Nebenstrassen. Man bekommt den Eindruck, sie bewegten sich nur noch, um mit ihren Mopeds Lebensmittel heranzuholen, der Rest des Tagwerks besteht aus der Zubereitung der Speisen, Essen und Ausruhen. In solchen abgelegenen Ecken schlaeft man nicht einmal acht Stunden, sondern drei - bis viermal pro Tag vier Stunden. "Wo viel Raum ist, da ist viel Zeit.", heisst es ja so treffend.

Anscheinend werden durch die andere Koerperposition auch vermehrt Glueckshormone auf so einem Liegerad freigesetzt. Ich erinnere mich auch schon frueher, die Piloten solcher Gefaehrte immer mit einem Laecheln radelnd gesehen zu haben, so auch Joachim. Wir haben uns natuerlich viel zu erzaehlen, ja es wird sich auch nicht gestritten. Er wundert sich sogar ueber meine gute Laune am Morgen (Hoert, hoert!). Vielleicht wird man auch nur dankbarer, wenn die Einsamkeit zur Geliebten, zur Vertrauten wurde. Dies passiert eben auf grosser Reise ganz unweigerlich. Dafuer oeffnen sich aber wieder andere Tueren. Nur verschieben sich eben die Pole mit der alten Welt ein wenig, die Gemeinsamkeiten lassen sich nicht mehr so recht vergegenwaertigen, Austausch wird immer schwieriger, der Alltag ist ja von grundauf verschieden. Wer lebt schon gerne in der Vergangenheit, dafuer ist man noch zu jung. Ich kann mir nicht helfen, es entgleitet mir! Ich weiss noch, wie ich Joachim oefters neckte, ob er denn nur Radreisende als Freunde haette, doch hielt ich mir dabei schon laengst den Spiegel vor.

Im Norden Malaysias trennen wir uns erstmal, er will seinen neuen Pass von der Botschaft in Singapur abholen, bei mir steht Sumatra auf dem Plan. Die Rennfaehre bringt mich in weniger als drei Stunden von Penang bis zum Hafen bei Medan, der groessten Stadt auf der Insel. Der Verkehr ist zwar wieder moslemisch stressig, aber sonst sind die Leute liebenswuerdig, interessiert, ja zutraulich wie auf Galapagos, wenn mir der Vergleich gestattet ist, sie setzen sich zu mir hin, fangen eine Unterhaltung an, ohne offensichtliches Interesse an des Auslaenders Geld zu bekunden, eher um von der anderen Welt zu hoeren, denn sie als Insulaner sind doch ziemlich isoliert. Dabei zeigen sie erstaunliche Ausdauer, werfen foermlich mit der Zeit herum. Die Hauptmoschee liegt gleich neben dem Hostel, kurz nach vier Uhr wird man das erste Mal geweckt, wenn der Muezzin durch Lautsprecher wieder zum Morgengebet ruft. Sooft wie ich das schon erlebte, hat es doch immer wieder einen Hauch von Exotik fuer mich. Einem guten Saenger hoere ich gerne zu. Im Koran steht ja auch, nur gute Stimmen sollen Allah loben. Zuerst fahre ich zum Tobasee, setze dort zur Insel Samosir ueber, die vor fuenfundsiebzigtausend Jahren nach einer gewaltigen Eruption aus den Resten des zusammengefallenen Vulkans entstand. Dreitausend Kubikkilometer in die Atmosphaere geschleuderte Asche muessen damals das globale Klima auf Jahrhunderte beeinflusst haben. Hier sieht man die Haeuser mit den traditionell geschwungenen Daechern, wie spitz nach oben zulaufende Bootsruempfe sehen sie aus, der Erklaerung nach, um in den Giebeln den Geistern der Ahnen eine Wohnstaette zu bieten. Auf bergiger Strasse geht es weiter, viele Kirchen erinnern hier noch an die hollaendischen Kolonialzeiten, alles ist in sattes Gruen getaucht, ich freue mich an Affenfamilien, wie sie mich erstaunt betrachten, denn Wildtiere erkennen den Menschen meist nur an Motorengeraeusch, Voegel machen seltsame Laute aus den Baumkronen, das tropische Klima laesst manche Insekten zu beachtlicher Groesse mutieren, ich schwitze hier wie ein Rockstar bei der Oeffentlichkeitsarbeit.

Die Doerfer sind wieder beidseitig der Durchgangsstrasse angelegt. Vor den Haeusern sitzt dann die maennliche Jugend und wie stereotyp hat mindestens einer von der Gruppe eine Gitarre in den Haenden. (Das verleidet mir im ganzen Land, meine eigene auch nur einmal auszupacken und das erste Mal frage ich mich, warum ich nicht bei der Blockfloete blieb.) Wenn dann den Schoenlingen auch noch lange Haare wachsen, ist die Illusion fuer manch einsame Touristin perfekt, sie verfaellt womoeglich dem Inselcharme und wacht unter Umstaenden erst wieder auf, nachdem sie mit ihrem ganzen Geld zu ihrer Liebe hierher durchbrannte, mit ihm eine Familie gruendete und das Haus dazu baute, bis der Liebe langweilig wurde, er anfing, fremd zu gehen, wogegen sie nichts machen kann. Denn was sie ganz missachtete, war, dass nach moslemischem Recht dem Mann alles zufaellt, Haus und Hofstaat - eine Geschichte wie sie das Leben schrieb.

An der Aequatorlinie treffe ich dann etwa vierzig Mitglieder des "Harley-Davidson-Club-Indonesia", schwerreiche Typen mit ihren Maschinen auf einem ihrer jaehrlichen Ausfluege. Mit dabei sind auch ein paar ranghohe Polizisten, ebenfalls in schwarzer Lederkluft. Denn laut Gesetz duerfen in Indonesien nur leichte Motorraeder bis hundert Kubikzentimeter fahren, durch ein paar Schenkungen dieser edlen Gefaehrte an die zustaendige Instanz hat man sich so freie Fahrt geschaffen - "Born to be wild!". An beispielhafter Korruption, an Misswirtschaft durch seine Unueberschaubarkeit droht der groesste Inselstaat der Erde auch zu zerbrechen. Die Provinz Aceh im Norden macht schon seit Jahrzehnten immer wieder blutige Schlagzeilen durch die angestrebte Unabhaengigkeit. Weiter oestlich, entlang der Kueste gibt es grosse Erdgas und -oelvorkommen, die dem Staat das meiste Geld einbringen, dort haette man verstaendlich nichts einzuwenden, gegen eine Losloesung von der zentralistischen Regierung in Jakarta. Man munkelt sogar, der Bombenanschlag auf Bali sei von der Hauptstadt aus eingefaedelt worden, die hinduistische Insel lebt ja eigenstaendig vom Tourismus, durch den Terrorakt erlitt sie vor allem einen Imageverlust, koennte sich fuer die naechsten Jahre keine Tumulte mehr leisten.

Im Irak laeuft nun endlich der Krieg und als groesste islamische Nation verbuendet man sich hier mit den Glaubensbruedern im "Mittleren Osten". (Spaeter auf Java, in der Stadt Surakarta sehe ich auf riesigen Plakaten, wie Bush als blutruenstiger Vampir dargestellt wird.) Fuer die naechsten drei Wochen finde ich mich als einzigen westlichen Touristen im Land. Die maennliche Jugend begruesset mich deshalb oft mit "Hello Mista!", "Are you American?", "F**k you!". Manchmal rufe ich herausfordernd, ich waere sogar ein Amerikaner (Sind wir ja auch alle seit 9/11!), aber mit diesen Schwachmaten laesst sich nicht diskutieren, schon gar nicht in der Gruppe. Einmal eskaliert dieser Wahn auch, ausgeloest durch meine betraechtliche Unvernunft. Zornig darueber, dass ich nach anstrengendem Radtag kurz nach Mitternacht aus dem Schlaf gerissen werde, als auf der langen Geraden, die vor meiner Herberge entlanglaeuft ein Mopedrennen von der Dorfjugend veranstaltet wird, renne ich schon das zweite Mal raus, diesmal mit Wasserglas und Nachfuellkrug, schuette der gerade vorbeirasenden Zweiergruppe den Inhalt entgegen. Sie stutzen, versammeln sich nun alle, wahrscheinlich beratschlagen sie sich, wie sie aus dieser sich bietenden Gelegenheit des sonst langweiligen Samstagabends das beste herausholen koennten. Hier gibt es ja keine Discotheken, keinen Alkohol, keine Freundinnen, sondern nur Ehefrauen, keine Videospiele, es bleibt fuer sie nur das Moped. Sodann kommt einer an und kickt den abseits stehenden Krug weg, das er zerspringt und rennt wie er gekommen war wieder zurueck. Ich hoere noch jemand von der Herberge rufen, ich soll hierbleiben, aber ich bin auf diese Typen sowieso schon sauer, wie sie mich am spaeten Nachmittag geaergert hatten, indem manche dieser Halbstarken mit ihren Kraedern aus voller Fahrt nah an mich heranschwenkten, oft genug danach wieder beidrehten, um ihren Spass zu wiederholen. Ich bin dem einen also auf den Fersen, hellauf begeistert, wie alles vor mir auseinandersprengt, wie sie eilig ihre Maschinen anwerfen, drehe dann auf den letzten Verbliebenen zu, der verzweifelt versucht, sein Moped zu starten, dann laesst er es fallen, fluechtet zum Rest. Sein Gefaehrt interessiert mich aber ueberhaupt nicht, zeitverzoegert stehe ich da, sinne ueber meinen Auftritt nach, weiss nun gar nicht weiter. Da formiert sich auch schon der Mob aus ueber einem Dutzend und blaest zum Gegenschlag. Steine fliegen nach mir, das ist mir ja schon mehrmals passiert, aber diese hier sind faustgross. Entsetzt feuere ich ihnen mein Glas entgegen und fliehe in den Schutz der Herberge, barfuessig, nur mit Hose bekleidet. Schon knallen die Brocken neben mir beweglichem Ziel gegen die Holzpanelen, mit denen die grossen Fenster hier nachts abgedeckt werden, scheinbar bin ich nicht der erste Grund dieser Vorsichtsmassnahme. Das artet jetzt eindeutig aus, anhand der Groesse, denn es liegen genug kleinere Steine herum, nenne ich es eine Steinigung, wie sie im islamischen Recht der Sharia erklaert ist. Ich ziehe mich zur Treppe zurueck, fluche und winke immer noch einzelnen, heranzukommen, voellig empoert ueber ihren feigen Gruppenauftritt, ihre ungemaesse Antwort. Ab und zu kommt sogar einer um die Ecke, der so kleine Haende hat, dass er den Stein mit beiden fassen muss, bestimmt sieht das fuer andere als fuer mich schon wieder lustig aus, wie er ihn so in meine Richtung bemueht. Ein paar wehre ich ab, einige treffen mich, jetzt sehe ich meine linke Hand bluten, man fuehlt ja in solchen Momenten nichts. Auf halben Treppenabsatz bin ich endlich ausser Sicht, waehrend es unter und ueber mir weiter Steine prasselt. Halte mich an einem mittlerweile rotgefaerbten Stein fest, so hocke ich da, schlage innerlich die Haende ueber den Kopf und waere seitdem nicht mehr froh geworden, haette es jemand in diesen Minuten gewagt, heraufzukommen.

Es lassen sich nun immer mehr Maennerstimmen unten vernehmen und da das Blut die Bande beschwichtigt - anscheinend muss immer erst Blut vergossen werden - , fluechten sie in die Dunkelheit zurueck. Das eigentliche Drama ist aber, wie die Frauen jetzt herumjammern. "Ma'af", "Ma'af" versuche ich mich andauernd zu entschuldigen, aber sie lassen sich nicht beruhigen. Auf der Wache kommt dann auch ganz zitternd mein geliebtes Rad an. Der Fahrer hatte sich schwer damit abgemueht, bis sich die zwei in den Speichen verhakten Enden der Spanngurte aufbogen, ins Ritzel gerieten und dort schliesslich kraft seiner Muskeln von der Kette zermalmt wurden. "Ich wollte doch nur helfen!", beteuert er. Und ich will nur noch weg hier, die Arterie des kleinen Fingers schaut heraus, der Handballen ist schon blau angeschwollen, im Scheinwerferlicht eines Polizisten radle ich meine Wut ab, bis wir das zwanzig Kilometer entfernte Hospital des naechsten Ortes erreichen. Dort warte ich noch ein paar Stunden, bis sie oeffnen, die junge Aerztin ist Woechnerin, deren Baby Durchfall hat, der Ambulanzfahrer soll sich deshalb um mich kuemmern. Nachdem wir erst noch achzig Kilometer zurueck zum naechsten Roentgenapparat fahren, - vorher muss ich ihn noch bei seiner Ortsrunde bremsen, mich auf Zigarettenlaengen bei seiner Verwandschaft vorzustellen - ist er auch der Mann, der meinen Finger naeht. Auf verdreckter Bahre strecke ich ihm meinen Arm entgegen, mit vier Stichen verbindet er das Blutgefaess wieder, mit sieben weiteren schliesst er den betaeubten Finger. Nebenbei muss er noch seine Kinder verscheuchen, die herumspringen und interessiert seine Arbeit beobachten. Das passiert zehn Stunden danach, drei weitere Wochen spaeter und einer handvoll Tabletten, geht der Abszess weg, die Wunde heilt endlich. Meine Retter waren so freundlich, mir nichts fuer ihre Muehen zu berechnen, das will ich noch erwaehnen, "ich haette schon genug Aerger gehabt". Keine Frage, der ganze Sturm den ich da losgeloest habe, ist mir aeusserst peinlich. Nur gut, dass dem Rad nichts weiter passiert ist, es konnte ja am wenigsten dafuer. Es hat uebrigens immer noch keinen Namen, warum auch, es hat ja auch keine Ohren!

Jedenfalls fahre ich befluegelt weiter, durch Oelpalmenhaine, die Steigungen sind so steil, dass ich einmal sogar schieben muss, die Kette rutscht schon lange ueber die abgewetzten Blaetter, weshalb mir einige Gaenge fehlen, aber mein Bruder, mit dem ich durch Australien fahren will, bringt mir ja bald neue Teile mit. Die letzte groessere Stadt auf Sumatra ist Lampung. Am 27sten August 1883 kam es auf der nahen Insel Krakatau durch ein unterseeisches Beben zum Vulkanausbruch. Weit verheerender wirkte sich die Flutwelle aus, erschlug als siebenunddreissig Meter hohe Wasserwand hundertsechzig Doerfer, die Stadt und 36000 Menschen. Drueben auf Java hat mich der Verkehr wieder eingeholt. Hundert Millionen Menschen leben hier, der Strom der Fahrzeuge reisst nicht ab, was mir entlang am Strassenrand wieder viel Laerm, Dreck und Schrecken beschert. Um alles muss ich dort kaempfen, auch noch um den Essenspreis. Sooft werde ich als Amerika von Hotels abgewiesen, da faehrt man verzweifelt weiter in die Dunkelheit hinein, bis man nach vielen Bitten doch noch irgendwo bleiben darf. Mein persoenlicher Dank dafuer an Bush, der ja bis zu seiner Praesidentschaft noch nie einen Fuss ausser Landes gesetzt hatte und seine Strippenzieher. Ja an alle gedankentraegen Leute, die sich Meinungen aufschwatzen lassen. Das geht im schlimmsten Fall im suggerierten Massenwahn von EINER Meinung ueber, am Ende stehen sich dann nur noch zwei Parteien gegenueber, bereit, in den Krieg zu ziehen, "weil man sich entscheiden muss,", mahnt die Stimme aus dem Lautsprecher. Dann sind die Dinge wieder so vereinfacht worden, dass der Gewinner sich von nun an als der Gute bezeichen darf, und wieder wird Geschichte einseitig wiedergegeben, wie soll man so aus ihr lernen? Deshalb ist es wichtig, Neutralitaet zu wahren, so individuell wie jeder Mensch, so vielfaeltig wie die Voelker, so bunt ist diese Welt, nicht schwarz und weiss, wie sie die Hunde sehen, nicht Gut oder Boese!

Hier will ich einmal kurz Luft holen und erwaehnen, dass es auch hilfsbereite Menschen gab, Leute, denen ich dankbar bin, weil sie mir freundlich begegneten, nur muss ich solche kleinen Geschichten uebergehen, es wuerde den Rahmen sprengen, wollte ich jede Begebenheit zu ihrer wahren Groesse erzaehlen.

Auf dem letzten Drittel der Insel wird das Reisen wegen dem Tourismusfaktor in dieser Gegend wieder einfacher, der Krieg ist gewonnen? Joachim muss jetzt auch hier unterwegs sein, der SARS - Kelch ging an ihm vorueber, wir wollen uns unbedingt nochmal treffen. Als ich dann wieder voellig entmutigt anhalte, von der Strasse abgewendet ins Gruene blicke, tippt er mir wenig spaeter auf die Schulter - wie im Maerchenbuch! Das ist eine Freude, nachdem mich die letzten Wochen hier ziemlich weichgeklopft haben. Gleich wird alles wieder leichter, man fuehlt sich nicht mehr so ausgeliefert. Ein weiteres unvorteilhaftes Bild bekommen wir aber noch, als wir ueberland an einem Mittagstisch haltmachen. Dort erblicken wir einen jungen Adler, der sein Leben an der Kette fristen soll. Es finden sich hier zwar ueberall verschreckte Singvoegel in Kaefigen eingesperrt, aber man ist ja immer geneigt, Tieren entsprechend ihrer Groesse eine Vielzahl von Eigenschaften zuzuschreiben. Im Haus nebenan verkauft der Tierquaeler als Kuenstler verkleidet schwulstige Aquarelle, den Vogel bietet er uns fuer sechzig Dollar an. Das edle Tier hat uns den Ruecken zugekehrt, blickt unverwandt auf's Meer hinaus, welches man hinter dem Buschwerk schon sehen kann. Solange bis seine Sehnsucht ueberhand nimmt, dass es versucht, loszufliegen, doch angekettet ueberschlaegt es sich nur, haengt klaeglich an seinem Bein, bis man es wieder auf die Stange zurueckholt. Dieser Ablauf wiederholt sich in Abstaenden. Dazu grinsen einen die "Kindonesier" (Joachim's Wortschoepfung) an, und ich kann gar nicht so schnell schlucken, wie der Zorn in mir wieder aufsteigt. Joachim draengt, das Tier nicht freizukaufen, bald haette der Schuft sich schon wieder ein Neues besorgt. Ich liege ihm noch zwei Tage damit auf den Ohren, hadere, bin drauf und drann, mit dem Bus zurueckzufahren. Klar hat er recht, ich wuensche dem Vogel nur einen schnellen Tod, damit er - kein Zweifel, das, was er am Liebsten macht - wieder fliegen kann.

Auf der Faehre nach Bali beglueckwuenschen wir uns, den Verkehrshorror vieler Regionen Asiens entkommen zu sein, ja dass wir fuer den Rest der Reise auch keine ueberbesiedelten Laender mehr beradeln werden. Das Ausmass des Bombenanschlages in Kuta realisieren wir erst spaeter, beim Vorbeifahren denken wir nur an eine grosse Baustelle. Der Selbstmordattentaeter (tolles Wort, solchen Glaubenskriegern wird fuer aufopfernde Auftraege ein Jenseits versprochen, wo sie von jeweils hundert Frauen umschwaermt werden und immer "koennen") ging damals also in eine Discothek und sprengte sich, die restlichen Gaeste rannten in Panik auf die Strasse, worauf dort eine massive Autobombe gezuendet wurde, die saemtliche Gebaeude beidseitig der Strasse auf etwa fuenfzig Metern zusammenstuerzen liess. In aller Bescheidenheit feiern wir Joachim's dreissigsten Geburtstag, ich muss ihn sogar ueberreden, aus gegebenen Anlass seine Erzeuger anzurufen. Abends in einem Unterhaltungslokal staunen wir noch ueber einige australische Fleischberge, sowas sieht man naemlich bei der Reisdiaet in Suedostasien nicht. In der naechsten Nacht bringt er mich bis zum Flughafen, er will noch ueber die Sunda-Inseln bis nach Ost-Timor, bevor er nach Darwin fliegt, ich bin schon ein paar Stunden spaeter da, mein Andreas wartet bereits.

Auf organisierter Gelaendewagentour geht es erst mal in den nahen Kakadu - Nationalpark. Es gibt Bootsfahrt mit Krokodilfuetterung, gesaettigte Schlange um den Hals, Tier - und Pflanzenkunde, Badespass nach Wanderungen und Kletterpartien, abends Grillfleisch, Bier und Lagerfeuer mit Zelten zur teuren Unterhaltung. Natuerlich noch einen Exkurs in die Aboriginal - Welt, Felsmalereien dazu und Ausblicke in die Weite des "Never - Never - Land".

Das Radfahren hier ist wieder angenehm entspannend, ja geradezu eintoenig, dass ich dabei sogar zum Lesen komme. Auf langen Geraden aendert sich die Vegetation von Gruen - zu Brauntoenen. Einige Radfahrer kommen uns entgegen, alle auf den Weg in den Sommer, waehrend es fuer uns immer kaelter wird. Versorgungsnot gibt es auf dem Stuart-Highway auch nicht, spaetestens nach hundert Kilometern kommt die naechste Tankstelle, ein paar Haeuser, oder ein Wassertank, hier herrscht wieder Ordnung, Abenteuer bleiben ueberschaubar. Angenehm ist, dass man ueberall Zelten kann, es im spaerlich besiedelten "Outback" keine Zaeune gibt. Erstaunlich viel Holz liegt herum, wir machen jeden Abend ein Feuer, beobachten Sternschnuppen, mir fallen nicht einmal Wuensche dabei ein, so gut geht's mir! Die Landschaft erinnert mich sehr ans suedliche Afrika, dessen Wild sich hier mit Sicherheit assimilieren wuerde, nur dann waere es vorbei, mit wild zelten. Wir treffen auf ein paar lebende Emus, natuerlich auch auf Kaenguruhs und deren kleinere Vertreter den Wallabies und noch viel mehr Verkehrsopfern davon. Deren Verursacher koennen schlecht bremsen, haben eine Einheitslaenge von zweiundfuenfzig Metern - den Roadtrains, Strassenzuege, die Vieh, Lebensmittel und Treibstoff transportieren, ab Alice Springs werden sie dann kuerzer, weil es bis dahin schon die Eisenbahn geschafft hat. Die Vogelwelt ist erstaunlich, Raben sitzen morgens manchmal neugierig auf den umliegenden Baeumen vorm Zelt, Gelbhaubenkakadus, Koenigspapageien, Regenbogenloriots und Kokaburas gibt es in riesigen kraechzenden Mengen, zeitweilig aergern uns Fliegenschwaerme, die in Nase und Ohren kriechen, sobald wir anhalten.

Eine vertrakte Sache ist es mit den Aboriginals. Ihre fremde Kultur hat es schwer, sich in der modernen, konsumorientierten Welt zu behaupten. Als der weisse Mann hierherkam, nahm er Besitz davon - fuer Krone und Vaterland. Das verstanden die Aboriginals nicht, bei ihnen gibt's ja kein Privateigentum. Wegen mancher Unruhen wurde zeitweilig sogar Kopfgeld fuer jeden getoeteten Aboriginal ausgesetzt. Im Sinne einer Wiedergutmachung gab man ihnen spaeter Land zurueck, drei Jahre darauf wurden sie mit einem neuen Vertrag uebertoelpelt, ihr Heiligtum, den Ayers Rock mit Umgebung fuer neunundneunzig Jahre an die Regierung verpachtet. Mit der Einfuehrung von Alkohol entmuendigte der Weisse, wie sooft schon den Angestammten zum Opfer. Immer im Wunsch, ein wenig “Traumzeit” in der ihnen fremd gewordenen Welt zu erleben, wird haeufig kollektiv getrunken. Die "trockenen" Kommunen liegen fernab der Zivilisation, wo man scheinbar recht zufrieden ohne Geldmittel lebt. Wenn jemand stirbt, werden auch saemtliche Fotos von ihm vernichtet, nichts soll mehr Erinnerungen wecken. Bei Unterhaltungen vermeiden sie Blickkontakt, es gilt bei ihnen als unhoeflich, sich direkt anzuschauen, man fixiert die Schulter des Gegenuebers, fast ist der Aussenstehende mit seinen Kulturvorstellungen dazu geneigt, dies als Zeichen von Unehrenhaftigkeit abzutun, doch mehr haben wir Brueder den Eindruck einer gewissen Scheu, zarter Schuechternheit. Gespraeche kommen zwischen uns zwar nicht zustande, aber sie winken aus ihren ueberfuellten Autos oder vom Strassenrand aus freundlich zu, wenn wir vorbeifahren. Ziemlich zerzaust und dreckig sehen sie aus, in dieser trockenen Region ist ihnen Wasser heilig, nur zum Trinken da.

Den Ayers Rock wollen wir dann doch noch besteigen. Von oben erlaubt diese Erhebung von dreihunderachtundvierzig Metern einen weiten Blick auf die Ebene, bis der Horizont mit dem Himmel zusammentrifft. Die ersten zwei Drittel geht es im vierzig Grad Winkel aufwaerts. Eine eiserne Kette zum Festhalten faengt erst nach etwa dreissig Metern an, um Unentschlossenen die Entscheidung zu erleichtern. Auf dem naechsten Abschnitt kehren die Allermeisten um. Dass heisst, sie bleiben erst mal stehen, drehen sich um, ueberdenken ihre Lage, bis ihnen beim Blick nach unten schwindlig wird. Sodann setzen sie sich hin und man sieht's an ihren Augen, spuert sie foermlich, die Angst, die von ihnen ausgeht, so dass man selbst ins Stocken geraet. Zumindest ich bin durchaus hoehenuntauglich, Bruder macht das weniger aus. Nach kurzer Besinnung beschliesse ich, den Granitbrocken zu begruessen, zolle ihm Respekt, jetzt wird mir wohler, begebe mich mit Ehrfurcht auf den Rest des Weges. So ist Uluru, wie er eigentlich genannt wird, vor allem eine spirituelle Erfahrung, die ich mit vielen Leuten teile. Von ihm geht eine gewisse Strahlung aus. Ob es nun steile Treppen an Pyramiden oder Tempeln sind, oder hier dieses Aequivalent der Aboriginals, sie lassen sich alle schadlos begehen, wenn man sich nur auf die naechsten Schritte konzentriert, nicht ueber die gesamte Hoehe oder Tiefe nachdenkt, wodurch man ins Wanken kommt. Es ist ein kleines Geheimnis fuer den Lebensweg.

Nach fuenf Wochen Gemeinsamkeit geht Andreas sein Urlaub zu Ende, mit Bangen sehen wir dem Abschied entgegen. In solchen Augenblicken erinnert man sich wieder, bereut es fast, damals losgefahren zu sein, auch fuer die Geschaetzten, die man zuruecklies. Am dritten Tag kehrt dann erfahrungsgemaess die Arroganz zurueck, dabei redet man sich ein, es waere besser, in Ruhe gelassen zu werden, als dass einem dauernd am Herz herumgerissen wird.

Irgendwann haelt mich die Polizei an und seitdem trage ich einen Helm (selbst beim Schlafen). Ich will gar nicht darueber nachdenken, um wieviel Sicherheit ich mich die letzten fuenfundvierzigtausend Kilometer betrogen habe. Es verhaelt sich dabei wie mit der Spritze gegen Erdbeben. Der naechste Stop ist bei Olivia in Canberra. Ich traf sie mit ihrem Rad in Vietnam. Puenklich zu ihrem Geburtstag komme ich an, fuenf Tage spaeter rolle ich mit meinen Wintersachen, die ich zu ihr vorausschickte nach Sydney. Bin in einem netten Hostel gelandet, viele Iren, Schotten und Englaender wohnen hier, manche schon monatelang, arbeiten, um ihre Weiterreise zu finanzieren. Mit denen habe ich eine gute Zeit, ich bin wieder mal integriert. Abends verleiten sie mich oft zum Trinken, tagsueber malere ich einige Zimmer in der Herberge, dazwischen beschraube ich mein Rad, laufe herum. Die Stadt hat Charme, neben Strand und Parks auch Kulturangebot, hier laesst es sich aushalten, ich bleibe bis zum letzten Tag meines Visums.

Drueben in Neuseeland finde ich nirgends so einen Platz. Ganz bestimmt liegt es an mir, da ich mich schon auf Suedamerika freue, genauso bestimmt liegt es auch an den zusammengewuerfelten Menschen, die sich nicht integrieren, fuer sich bleiben. Suedseeinsulaner von vielen verschiedenen Inseln kamen zuerst hierher, spaeter nannte man sie vereinend Maori. Dann endeckten europaeische Seefahrer die Inseln fuer sich neu. Die juengste Bevoelkerungsschicht besteht zu grossen Teilen aus Wirtschaftsimigranten asiatischer Staaten. In den Staedten wohnend, froenen sie willig fuer ein paar Generationen dem Konsumrausch. Auf dem Land wurde dagegen das Vieh eingefuehrt. Kultur konnte sich noch keine entwickeln, statt dessen bieten sich Warenhaeuser an, Schnellimbisse, Videoverleihe, Supermaerkte bieten harten Alkohol gleich im Doppelpack mit Rabatt an, Rugby bietet sich an und schoene Landschaft wird angeboten, doch dafuer koennen die Leute ja nichts. Kein Wunder, dass sie nur oberflaechlich freundlich sind, bei dem Angebot. Die Chinesen, Koreaner und Japaner bedecken sich mit der neuesten Plastikmode, haben die trickreichsten Handys, die dicksten Auspuffrohre am Wagen und einen stumpfen Blick. Das ist die Folge davon, wenn man sich nur von aussen zudroehnen laesst, so wird das Innere unterdrueckt, kann nicht strahlen, vor lauter koerperlicher Uebersaettigung, vor lauter Ueberdruss. Das Geld, was sie ausgeben steht in keinem Verhaeltnis zu dem, was sie verdienen. Man lebt auf Kredit verpflichtet sich so auf lange Jahre. Neben dem Vieh lebt man auf der Suedinsel vom Tourismus. In den Hostels, die ich wegen Schlechtwetter oft anfahren muss, treffe ich auf die Spass - Generation. Nur ist die gar nicht so lustig. Nach bestandenem College auf elterliche Auszeichnungsfahrt geschickt, tauschen sie sich ueber die Erfahrungen und Moeglichkeiten von Spasssportarten wie Abseilen, Himmeltauchen und "Schwimm-mit-den-Delphinen" aus, vermitteln mir einmal mehr Langeweile. Nur widerwillig erzaehle ich von meiner Radreise. Das passt ja gar nicht dazu, ja ich nicht in ihre Welt! Bin ich wirklich schon so alt? Der exotische Reiz des Landes besteht meist nur auf den Hochglanzprospekten. Das Land ist ein Ziehkind des Kapitalismus.Hier passiert nichts Umwerfendes beim Bereisen, alles verlaeuft geordnet in diesem Schilderwald. "Neuseeland ist so ein Land, das man bald wieder vergessen hat,", sagt Paul, mein frueherer Radgefaehrte, den ich hier um ein Haar noch getroffen haette.

Fragt man mich, wo es mir am besten gefallen hat, so sind es bezeichnender Weise, karge, wuestenhafte Laender, in denen mich die Menschen in ihrer Herzlichkeit, ihrer Offenheit begeistert haben, denn die Menschen sind das Wichtigste. In solchen Gegenden kann sich der Geist noch ungehindert entfalten, das Erlebnis von absoluter Stille, von Weite vermittelt ein Gefuehl der Zeitlosigkeit, man kann seinen eitlen Mantel ablegen, begreift sich als ein Buendel voller Emotionen am Rand der Unaussprechlichkeit. Der weite Horizont laesst der Vorstellung allen Raum, Muessen und Wollen verschmelzen zu einem "Ja". In solch karger Umgebung gedeiht alles mit Liebe, man hat keine Wahl, es gibt sehr wenig Zutaten. Es ist wahr, in der Wueste steckt mehr Sinn, als im Treiben einer ganzen Stadt. Nur muss man immer wieder in die Stadt - der Kontraste wegen, damit man weiss, was einem dort entgeht.

Nach sechs Wochen beschliesse ich, den Aufenthalt hier zu beenden, buche meinen Weiterflug vor. Hab ja auch schon genug gesehen, neben der Lebensart hier auch heisse, schwefelhaltige Quellen, Regen, Berglandschaften, Schnee, Kuestenlandschaft, den annaehernd symetrischen Vulkankegel des Mount Egmont, Schafe ungezaehlt, Kuehe, wie sie uebermuetig mit mir mitrennen, und traf auch noch die schlauesten Voegel, so sagt man, die Keas, auf den Hoehenzuegen der Suedinsel, erwartungsvoll, diebisch wie die Elster.

Von der Firma "Ortlieb" bekomme ich in Christchurch noch ein paar neue Radtaschen geschenkt, dabei moechte ich mich auch mal bei der Firma "Schwalbe" bedanken, die mir freundlichst einen Satz Reifen und Schlaeuche nach Kathmandu schickte, auch fuer die Ersatzgabel von "Velophil", meinem Radladen in Berlin, die ich nach eingehender Ueberpruefung der alten doch nicht einbaute... Nun wird vielleicht der eine oder ander denken, ich bekaeme alles geschenkt. Das stimmt! Ich bekomme den Becher immer voll eingeschenkt. Dabei sehe ich diese Gaben eher als Kredit, keine Ahnung, an wen und wie ich zurueckzahle, aber ich bin bemueht.

Dieses Kapitel wird hier geschlossen, die Halbzeit dieser Reise ist vorueber, schon schreibe ich aus Santiago de Chile. Hier ist man wieder herzlicher zueinander, nicht so aufgesetzt, wie hab ich das vermisst!

Bis spaeter, Euer Matthias.

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